In dieser Woche machte die von Europol von FBI geleitete internationale Operation “Trojan Shield” Schlagzeilen. Durch diese Operation, welche eine der bisher größten weltweit war, wurden international mehr als 800 Verdächtige in 16 Ländern – auch in Österreich – festgenommen. Bei der Operation wurden präparierte Smartphones in ahnungslose kriminelle Gruppen eingeschleust. Ein paar kurze Gedanken hierzu.

Gleich vorweg: Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität ist wichtig und soll der im Rahmen der Operation “Trojan Schield” erzielte Erfolg der Strafverfolgungsbehörden keineswegs geschmälert oder gar in Frage gestellt werden. Doch seien aus grundrechtlicher Sicht des rechtsunterworfenen Bürger ein paar Gedanken erlaubt, welche trotz aller Wichtigkeit solcher Ermittlungsmaßnahmen nicht vergessen werden dürfen:

Verbot des agent provocateur

§ 5 Abs 3 der österreichischen Strafprozessordnung (StPO) hält fest, dass es unzulässig ist, Personen zur Begehung von strafbaren Handlungen in einer dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention) widerstreitenden Weise zu verleiten (Verbot des “agent provocateur”). Das Lockspitzelverbot, welches auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verankert ist, ist in Österreich so alt wie der moderne Strafprozess selbst. Bereits zur StPO 1850 merkte ihr Schöpfer an, dass die Strafverfolgungsorgane die Wahrheit nicht schrankenlos erforschen dürfen, sondern „nur in solcher Weise, wie es die Würde des Staates und der in seinem Namen auftretenden Repräsentanten der öffentlichen Ordnung erfordert“. Trotz sprachlicher Adaptierungen der relevanten Bestimmung hat sich seit 1850 nichts geändert, weil nach wie vor sowohl der Verleitung zu Straftaten als auch der Verlockung von Geständnissen eine Absage erteilt wird. Durch § 5 Abs 3 StPO sind zwei Aspekte der Fairness des Strafverfahrens gewährleistet: Der Staat macht sich nicht zum Komplizen einer Straftat, und er achtet das Recht des Beschuldigten, ihm gegenüber zu schweigen, indem er es nicht durch Auftreten als Privatperson umgeht {Wiederin in Fuchs/Ratz, WK StPO § 5 Rz 107 ff (Stand 1.10.2013, rdb.at) mwN].

Solange sich die Bemühungen des Provokateurs auf das straflose Vorbereitungsstadium beschränken, wird jedoch das Lockspitzelverbot noch nicht verletzt. Verleiten ist mehr als beobachten und abwarten. Personen, die einer Tat verdächtig sind, zu überwachen, verstößt ebenso wenig gegen § 5 Abs 3 StPO wie ihre Beobachtung bei der Tatbegehung und das Zuwarten mit dem behördlichen Einschreiten bis zu einem fortgeschrittenen Stadium der Tat. Verleiten ist auch mehr als eine Gelegenheit schaffen. Für eine Tatprovokation reicht es nicht hin, eine Leiter bereitzustellen, um einem Dieb sein Geschäft zu erleichtern. Ebenso wenig genügt es, ein Auto mit eingelegtem Zündschlüssel vor ihm abzustellen oder ihn durch eine halboffene Tasche zu reizen. Die durch § 5 Abs 3 StPO verbotene Tatprovokation beginnt demnach dort, wo eine Person zu einer Straftat bestimmt wird oder wenn auf das kriminelle Verhalten Einfluss genommen wird {ibid, mwN].

Eine entsprechende Verleitung zu einer Straftat scheint bei der Operation “Trojan Shield” (nach den vorliegenden Informationen) nicht der Fall gewesen sein. Hätten die Strafverfolgungsbehörden jedoch nicht nur die Handys zur Verfügung gestellt, sondern die nunmehr Verdächtigen proaktiv zu strafbaren Handlungen angestiftet, wäre dies nach österreichischem Recht wohl rechtswidrig gewesen. Hierzu ist zu beachten, dass die gegenständliche Operation von FBI und Europol geleitet wurde und in zahlreichen Ländern erfolgte, sprich in erster Linie andere als die österreichische Rechtsordnung Anwendung finden. Eine Erörterung sämtlicher hier relevanter Rechtsordnungen würde den Rahmen dieses kurzen Beitrags, welcher lediglich ein kurzer Gedankenanstoß sein soll, sprengen. Doch wird man die österreichischen Bestimmungen jedenfalls auch dort beachten müssen, wo ein Bezug zu Österreich besteht.

Der verfassungswidrige “Bundestrojaner”

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist die vertrauliche Nutzung von Computersystemen und digitalen Nachrichtendiensten wesentlicher Bestandteil des Rechts auf Achtung des Privatlebens nach Art 8 EMRK. Computergestützte Technologien sind zunehmend bedeutende Mittel für die Persönlichkeitsentfaltung und private Lebensführung jedes Menschen. Daten und Informationen über die persönliche Nutzung von Computersystemen gewähren in der Regel Einblick in sämtliche – auch höchstpersönliche – Lebensbereiche und lassen Rückschlüsse auf die Gedanken der Nutzerin und des Nutzers, insbesondere Vorlieben, Neigungen, Orientierung und Gesinnung zu. Art 8 EMRK verlangt, dass dem Persönlichkeitsschutz gegenüber allen, die von einer Überwachungsmaßnahme betroffen sind, im Rahmen der Ausgestaltung der Maßnahme entsprechend Rechnung getragen wird (VfGH 11.12.2019, G 72-74/2019, G 181-182/201).

In seinem Erkenntnis vom 11.12.2019, G 72-74/2019, G 181-182/2019 hat der Verfassungsgerichtshof die gesetzlichen Bestimmungen zum “Bundestrojaner” als verfassungswidrig aufgehoben. Die Ermächtigung zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten verstößt laut VfGH bereits deshalb gegen das Grundrecht auf Privatsphäre gem Art. 8 EMRK, weil nicht gewährleistet ist, dass die Überwachungsmaßnahme nur dann erfolgt, wenn sie zur Verfolgung und Aufklärung von hinreichend schwerwiegenden Straftaten dient. Die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Regelung liegt zum anderen darin, dass der Schutz der Privatsphäre von durch den “Bundestrojaner” Betroffenen durch die Ausgestaltung der Maßnahme nicht hinreichend sichergestellt war.

Zum Eindringen in Wohnungen, Durchsuchung und Überwindung von Sicherheitsvorkehrungen zwecks Installation des „Bundestrojaners“ hielt der VfGH fest, dass die entsprechende Bestimmung gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Hausrechts verstößt. Die damalige Regelung ermächtigte ­– so der VfGH – auch zur Durchführung von Hausdurchsuchungen, ohne dass der Betroffene davon Kenntnis erlangt. Dies widerspricht jedoch dem Hausrechtsgesetz 1862, wonach Hausdurchsuchungen, die ohne Wissen des Betroffenen durchgeführt werden, diesem im Nachhinein – innerhalb der nächsten 24 Stunden – mitzuteilen sind.

Auch wenn der Bundestrojaner – bzw genauer gesagt die entsprechenden Bestimmungen in der StPO – in Österreich als verfassungswidrig aufgehoben wurden, erfolgen nun, wie man anhand der Operation “Trojan Shield” sieht, andere Methoden um sich in die vertrauliche Nutzung von Computersystemen und digitalen Nachrichtendiensten einzuschleusen. Dies mag wohl auch nach österreichischer Rechtslage rechtskonform sein, ändert jedoch nichts daran, dass gerade in Hinblick darauf, dass sich die Methoden hier laufend weiter entwickeln, das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und damit auch die verfassungsrechtlichen Schranken solcher Maßnahmen im Auge behalten werden sollten.

Conclusio

Die Operation “Trojan Shield” gebe ausreichend Stoff, um Bände mit juristischen Abhandlungen, Gedanken und Diskussionen zu füllen. Dies würde aber hier den Rahmen sprengen und vor allem auch an der Idee dieses Beitrags vorbeigehen. Vielmehr soll dieser Beitrag einfach auf einen wesentlichen Aspekt aufmerksam machen und zum Nachdenken anregen: Wir leben in einer Zeit, wo der digitale Fortschritt rasant erfolgt. Diese laufende technische Weiterentwicklung ist im Bereich Cybercrime auch ein Wettrennen zwischen Strafverfolgungsbehörden einerseits und (möglicherweise) Kriminellen andererseits. Neue technische Möglichkeiten werden von der einen Seite genützt bis sie die andere Seite entdeckt. Dabei ist eines aber ganz essentiell und darf nicht vergessen werden: Die Grundrechte und damit die verfassungsrechtlichen Grenzen dürfen bei aller Notwendigkeit und Legitimität effektiver strafrechtlicher Aufklärung weder vergessen noch übertreten werden. Die Leidtragenden wären sonst nämlich die Bürger – und die gesamte Demokratie.